Geräuschvoll und dynamisch wird der Rollladen hochgezogen. Mit einem einnehmenden Lächeln begrüßt uns Claudia Schoemig mit ihrem Hund Mathilda an der Ladentür. Wir sind in der Raumerstraße in Prenzlauer Berg und besuchen die Keramikerin in ihrem Berliner Ladenatelier.
Gute Arbeit: Claudia Schoemig, Schoemig Porzellan, Berlin
„In blassblauem Neon leuchtet uns beim Betreten des Ladens der Schriftzug „Porzellan“ entgegen. Unter der überdimensionalen Neonschrift stehen Gefäße und Teller in Reih und Glied. Gegenüber ist ein kleiner Arbeitsplatz eingerichtet, an dem weitere Objekte zum Trocknen aufgestellt sind und natürlich auch Mathildas Hundekorb Platz findet. Seit 2013 entwirft, produziert und verkauft die Keramikerin und Bildende Künstlerin hier vor Ort ihre zarten, puristischen Objekte. Von Vasen, Bechern, Tassen und Schalen bis hin zu Tellern reicht das Sortiment aus den Serien „Contrair Vasen“, „Graph Kollektion“ und „Sublim Becher“.
„Porzellan erinnert an Schnee oder die Textur von Papier“
Auch nach Jahren ist Claudia Schoemig noch fasziniert von ihrem Werkstoff: „Porzellan erinnert an Schnee oder die Textur von Papier“, schwärmt die Fränkin, die seit 1998 in Berlin lebt. Ihr Herz schlägt für Porzellan seit sie 17 war. Damals entdeckte Schoemig erstmals handgedrehte Gefäße in einem Laden. Sie kaufte zwei davon und wusste: „Das will ich machen“.
Nach einer Ausbildung zur Keramikerin betrieb Claudia Schoemig für vier Jahre eine eigene Werkstatt in Schonungen am Main und ging dann für ein Kunststudium nach Berlin. Während und nach ihrem Studium an der Kunsthochschule Weißensee arbeitete sie freiberuflich für viele renommierte Keramik- und Porzellanwerkstätten. 2011 gründete sie dann Schoemig Porzellan.
„Jeder Fehler ist mir lehrreich“
Dass Claudia Schoemigs Gefäße etwas Besonderes sind, merkt man sofort. Man möchte sie anfassen und am liebsten auch gleich alle mit nach Hause nehmen. Was der Laie eventuell nicht auf Anhieb sieht: Die Werkstücke sind im mittlerweile immer seltener angewandten Freidrehverfahren gefertigt. So gleicht kein Gefäß ganz dem anderen und jedes trägt als Unikat die spezifische Handschrift seines Produzenten. Um sein Handwerk so gekonnt zu beherrschen, wie Schoemig es tut, braucht man einen langen Atem und unzählige Stunden an der Drehscheibe.
„Man braucht sehr viel Erfahrung. Ich mache das jetzt schon über 15 Jahre. Auf dem Weg zur Perfektion macht man viele Fehler. „Jeder davon ist mir lehrreich“, so die Keramik-Künstlerin.
„Dialog mit dem Material“
Sie schätzt „den Dialog mit dem Material“, wie sie die Handarbeit nennt. „Heute arbeiten nicht mehr viele Menschen mit ihren Händen. Für mich fühlt sich das ganz natürlich an, ich mache das schon so lange.“ Sie mag das serielle Arbeiten, bei dem sie sich dem Arbeitsfluss hingeben kann, alle Handgriffe werden von einem bestimmten Zeitpunkt an fast wie automatisiert ausgeführt, man denkt nicht mehr bewußt darüber nach, was man tut, sondern erspürt es mit seinem Körper. „So entstehen Gefäße, als wären sie von selbst gewachsen.“
Gerade arbeitet Schoemig gemeinsam mit ihren Mitarbeitern an einer Becherkollektion für Mykita, ein Berliner Brillenlabel. „Es ist toll eine solch große Serie zu erarbeiten. Über 1000 Becher gehen seit Wochen durch unsere Hände. Es ist, als würde alles von selbst laufen. Man kennt jeden Arbeitsschritt ganz genau. Das ist Monotonie im positiven Sinn.“ Was in Schoemigs Beschreibung anschaulich wird, ist die Nähe des handwerklichen Arbeitens zur Meditation. Dass die Keramikerin vollkommen in sich ruht und für ihre Arbeit brennt, steht Schoemig ins Gesicht geschrieben und drückt sich in ihrer kompletten Körpersprache aus.
„Gute Arbeit bedeutet Hingabe an das, was man tut“
Was zeichnet gute Arbeit für die Designerin aus? Über die Antwort muss sie kurz nachdenken, denn bei ihr fließen Arbeit, Leben und Leidenschaft für das Handwerk in eins. „Gute Arbeit bedeutet Hingabe an das, was man tut“, erläutert Schoemig. Die Keramik beschreibt sie als berufliche Liebe und ihre Werkstatt als ihren Hafen, wo sie auch in ihrer Freizeit gerne hinkommt, um nachzudenken. Dass sich diese Haltung in der Qualität ihrer Produkte niederschlägt, belegt die Kür der Zeitschrift AD Architectual Digest. Sie hat Claudia Schoemig kürzlich unter die Top 50 der besten deutschen Designer gewählt. Doch nicht nur ihr künstlerisches Talent ist bemerkenswert. Als Chefin ihres Teams achtet sie auf ein gutes Arbeitsklima. Eine faire Bezahlung und ein schöner Arbeitsplatz sind ihr genauso wichtig wie nachhaltige Produktionsbedingungen. „Ich versuche mit meinem Betrieb organisch zu wachsen. Dazu gehört es immer wieder die wirtschaftlichen Abläufe zu überprüfen und zu verbessern. Man muss Verantwortung übernehmen und darauf Acht geben, dass alles auf soliden Füßen steht.“
Und wo will die Unternehmerin in zehn Jahren angelangt sein? Für die Zukunft wünscht sie sich vor allem eines: Noch mehr Freiraum für Experimente. Deshalb investiert sie in den Nachwuchs. Seit 2015 bildet Schoemig Porzellan als eine der wenigen deutschen Werkstätten im Keramikerhandwerk aus. „Ich möchte einen Ort schaffen, an dem das Handwerk lebendig bleibt und weiterentwickelt werden kann.“ Wir freuen uns auf neue Kollektionen!
Text: Sabrina Schleicher
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